Guten Abend verehrte Steemians, heute machen wir einen kleinen Ausflug in die Welt der Sprachwissenschaft!
Der Beginn des menschlichen Zusammenlebens war auch ihr Beginn und ebenso verändert sie sich fortwährend: die Sprache! In unserem Fall nicht irgendeine, sondern natürlich die deutsche. Und fast genauso alt wie die Sprache selbst ist die Debatte darum, ob ihre stetige Veränderung Fortschritt oder Verfall bedeutet. Mit meinem Artikel möchte ich euch einen Einblick in diese Debatte geben, die uns letztlich irgendwie doch alle betrifft.
Um klarzustellen, was genau ich mit Sprachwandel meine, zeige ich euch im Folgenden zwei Beispiele:

Beispiel 1: 'schlecht'
Es wird den ein oder anderen sicher verblüffen, wenn ich sage, dass dieses kleine Wort mit dieser so eindeutigen Bedeutung anfänglich auch eine völlig andere, ja sogar konträre Bedeutung hatte! Im 16. Jahrhundert hatte 'schlecht' zunächst eine recht breite Bedeutungsspanne. Seine ursprüngliche Bedeutung war «glatt», «gerade» oder auch «schlicht» (in der lautlichen Ähnlichkeit erkennt man heute noch die ursprüngliche Bedeutung) oder in Bezug auf Menschen «rechtschaffen». Darüber hinaus bedeutete es aber auch ganz neutral «einfach» oder «gewöhnlich», was je nach Kontext allerdings auch negativ ausgelegt werden konnte, wodurch sich im Laufe der Zeit die heutige Bedeutung «wertlos» oder gar «unrühmlich» entwickelte. Mit den Jahrzehnten schrumpfte die Skala immer weiter ein, erst verlor sich der positive Aspekt, dann nach etwa 200 Jahren auch der neutrale, sodass wir heute nur noch die negative Bedeutung von 'schlecht' gebrauchen. 1, 2
Beispiel 2: 'Witz'
Einen ähnlichen Wandel erlebte auch das Wort 'Witz'. Es stammt aus demselben Wortstamm wie 'wissen' und wurde früher als Synonym zu 'Verstand' verwendet. Im Mittelalter war es üblich, kluge Menschen als „von schnellem Witz“ zu bezeichnen. Bereits im 17. Jahrhundert sorgte der französische Einfluss jedoch dafür, dass sich die heutige Bedeutung dazu drängelte und gegen Ende des 19. Jahrhunderts war der Bedeutungswandel vollzogen – der 'Witz' beschreibt nun nur noch den «geistreichen Spaß» oder die «humorvolle Anekdote». 3
Der Anfang
Eine einheitliche deutsche Sprache haben wir Martin Luther zu verdanken, da er u. a. mit seiner Übersetzung der Bibel erstmalig dafür sorgte, dass auch das „ungebildete Bauernvolk“ den Zugang zur heiligen Schrift bekam. Das heißt, seine Übersetzung erreichte erstmalig so viele Leser, dass er dadurch einen gewissen Sprachstandard festlegte, aus dem sich im weiteren Verlauf das heutige Hochdeutsch entwickelte; die Sprache des 16. Jahrhunderts wandelte sich also auch. Würde man Martin Luther heute fragen, würde er sicher sagen, das Deutsche verfalle. Aber ist dem wirklich so? Oder hat es sich doch im positiven Sinn gewandelt?
Gegenseitiger Einfluss
Sprachen beeinflussen sich gegenseitig und das tun sie nicht nur jetzt, sondern das haben sie schon immer getan. Viele werden jetzt mit den Augen rollen und an unzählige Anglizismen denken. Aber bevor das Englische einen so großen Einfluss auf das Deutsche hatte, war es das Französische und bescherte uns Worte wie „Arrangement“, „engagieren“ oder „Trottoir“. Und davor waren es das Lateinische (bspw. „populär“ oder „Forum“) und das Griechische (bspw. „Politik“ oder „Metapher“). Wer weiß, welche Sprache das Englische ablösen wird, vielleicht Chinesisch?
Trendworte und Grammatikvereinfachung
Grade in Zeiten der Globalisierung ist es unmöglich, das Vermischen und gegenseitige Beeinflussen von Sprachen zu verhindern, doch ist es für die einen eine Bereicherung und für die anderen ein Schaden.
Ich persönlich finde es sehr schade, dass viele bedeutungsstarke Worte in Vergessenheit geraten (sind) und die meisten Wortneuschöpfungen darin bestehen, alten Worten eine neue oder weitere Bedeutung zu verpassen (bspw. „Maus“ = Lebewesen und Computerzubehör). Aber auch wenn es mir vor Worten wie „tinderjährig“ „vong“ oder „yolo“ graut, würde ich nicht sagen, dass unsere wunderschöne, vielfältige Sprache vor dem Ruin steht. Denn meistens zeigt sich, dass es regelrechte „Modeworte“ sind. Sie kommen und gehen, wie Modetrends eben. Und wenn uns eins dieser Worte erhalten bleibt, dann wird das schon seine Gründe haben.

Was aber viel schlimmer ist als diese seltsamen Vokabeln und was ich tatsächlich als gewissen Verfall betrachte, ist die stete Vereinfachung unserer Grammatik. Den Genitiv kann heute kaum noch jemand anwenden. Selten höre ich jemanden, egal ob auf der Straße, im Fernsehen oder im Radio, der wegen korrekterweise mit dem Genitiv gebraucht. Und auch der Konjunktiv I steht, aufgrund seiner beschränkten Einsatzmöglichkeit, vor dem Aussterben. Natürlich weiß jeder, was ich meine, wenn ich statt: „Er sagte, er gehe einkaufen.“ fälschlicherweise „Er sagte, er geht einkaufen.“ sage. Doch wird es dadurch nicht richtiger. Mittlerweile steht diese Form jedoch auch in Lehrbüchern, sodass Deutschlerner kaum noch die Möglichkeit haben, ein wirklich korrektes Deutsch zu lernen, sondern lieber die einfache Version aufgetischt bekommen. Die wichtigste Funktion einer Sprache, nämlich eine funktionierende Kommunikation, wird auch so erfüllt, doch zu welchem Preis?
Eure Meinung ist gefragt!
Wie empfindet ihr die Entwicklung unserer Sprache? Betrachtet ihr sie eher als Verfall oder als Wandel? Lasst mich an euren Gedanken teilhaben! Und sagt mir gerne auch, ob euch diese Thematik im Allgemeinen interessiert.
Ich wünsche euch einen stressfreien Freitag!
Eure meluni
Quelle | Link/Buchtitel |
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1 | Duden (2014): Das Herkunftswörterbuch. S. 741. |
2 | Guy Deutscher (2011): Du Jane, ich Goethe. dtv, S. 84f. |
3 | https://www.dwds.de/wb/Witz [13.02.18] |